Der palästinensische Film „Wajib“ ist aus dem Programm der ARD gestrichen worden. Die Regisseurin reagiert mit harter Kritik.

Eigentlich wollte die ARD am Montagabend (20. November) den preisgekrönten, palästinensischen Film „Wajib“ zeigen, nur wenige Tage vor Ausstrahlung ist dieser jedoch wieder aus dem Programm gestrichen worden. Die Regisseurin des Streifens reagiert auf diese Kursänderung mit harten Worten.

Prämierter Film aus Palästina: ARD streicht „Wajib“ aus dem Programm

In „Wajib“ geht es um eine komplizierte Vater-Sohn-Beziehung. Der in Rom lebende Shadi (Saleh Bakri, 46) reist zurück in seine Heimat Nazareth und soll seinem Vater (Mohammed Bakri, 69) dabei helfen, die Einladungen zur Hochzeit seiner Schwester zu verteilen – eine palästinensische Tradition, die dem Film seinen Namen verliehen hat. Bei Kritikern und Zuschauern kam der Streifen nach seiner Premiere 2017 ausgesprochen gut an und wurde mit Auszeichnungen wie dem Don Quijote Preis beim Locarno Film Festival sowie dem Goldenen Einhorn beim Internationalen Film Festival in Amiens prämiert.

Hätte „Wajib“ eigentlich schon Montagnacht über die Bildschirme flimmern sollen, hat ihn die ARD nun kurzfristig aus dem Programm gestrichen. Auch in der ARD Mediathek ist der Film nicht mehr verfügbar. Gegenüber spiegel.de erklärte der Sender, man prüfe „im Rahmen einschneidender gesellschaftlicher oder aber auch (welt-)politischer Ereignisse (…) standardmäßig, ob unser geplantes Programmangebot mit der aktuellen Lage in Einklang steht.“

Gegenüber t-online.de begründete der Sender die Entscheidung, „Wajib“ aus dem Programm zu nehmen, erneut: „Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Nahost halten wir ihn aktuell aufgrund seiner Erzählperspektive alleinstehend für nicht richtig im Programm platziert.“

„Extrem verstörend“: Regisseurin reagiert auf „Wajib“-Streichung in der ARD

Gegenüber dem Spiegel äußerte sich Regisseurin Annemarie Jacir (49) kritisch zur Streichung ihres Films. Es sei „eine Schande für die ARD, gerade in diesem dunklen Moment der Geschichte künstlerische Stimmen zu unterdrücken, anstatt einen Raum zu öffnen, in dem wir unsere Geschichten, Kulturen und Träume teilen können.“ Dass unabhängige Stimmen zensiert werden, finde sie „extrem verstörend“ und „das Gegenteil dessen, was die freie Welt sein sollte.“

  • Fiona@feddit.de
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    0
    ·
    10 months ago

    Okay, dann werden sicher auch alle israelischen Produktionen aus dem Programm gestrichen. Oder? Oder???

  • LemonLord@endlesstalk.org
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    0
    ·
    10 months ago

    Das ist ein neues NATO-Konzept. Eventuell abweichende Meinungen werden konsequent unterdrückt. Mal auch auf YouTube die Empfehlungen achten. Sind die bei Euch auch in der Tendenz pro-israelisch?

  • gapbetweenus@feddit.de
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    0
    ·
    10 months ago

    Um fair zu bleiben: vermutlich werden jetzt mehr Menschen den Film sehen. Hab vorher nichts von dem Film gehört und ARD schaue ich nicht, hab kurz in den Trailer geschaut und sieht ganz interessant aus.

    • Haven5341@feddit.deOP
      link
      fedilink
      Deutsch
      arrow-up
      0
      ·
      10 months ago

      werden jetzt mehr Menschen den Film sehen

      Fragt sich halt wo. Ich habe auf die schnelle nichts gefunden (ich hab jetzt aber auch nicht stundenlang gesucht).

  • Haven5341@feddit.deOP
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    0
    ·
    edit-2
    10 months ago

    Diese scheinbare Gleichsetzung von allem palästinensischem mit der Hamas irritiert mich jetzt allerdings auch irgendwie.

    Ich kenne den Film nicht aber da er preisgekrönt ist wird er ja wohl zumindest prinzipiell sehenswert sein und der hat, nach dem Artikel zu urteilen, scheinbar auch nichts mit dem jetzigen Konflikt zu tun. Was bedeutet denn da “Erzählperspektive”?

    • tryptaminev 🇵🇸 🇺🇦 🇪🇺@feddit.de
      link
      fedilink
      Deutsch
      arrow-up
      0
      ·
      edit-2
      10 months ago

      Erzählperspektive bedeutet in diesem Fall, dass Palästinenser über sich selbst als Volk erzählen, und daraus der Eindruck entstehen könne, es handele sich um richtige Menschen, quasi wie du und ich, die auch nur ein normales Leben und normale Probleme haben wollen. In dem Film geht es ja nur am Rande um den Konflikt mit Israel, und v.a. im Kontext der Beziehung zwischen Vater und Sohn.

      Das passt nicht ins Narrativ, wo insbesondere die ARD versucht die Palästinenser so wenig wie möglich als Menschen darzustellen, und dann auch nur als die Menschen, die eine Gefahr für Israel seien, während man eingehended die israelischen Opfer der Hamas-Gewalt menschlich macht.

      Das äußert sich z.B. darin, dass man Interviews mit den Angehörigen führt, berichtet, wer die Opfer im Detail waren, Bilder zeigt, wie sie mit ihren Freunden glücklich sind usw… Währenddessen wurde über Wochen in der Tagesschau nicht mal berichtet, wie viele Kinder inzwischen in Gaza getötet wurden und es wird nur abstrakt von einer schweren humanitären Lage gesprochen.

      • qjeu@feddit.nl
        link
        fedilink
        Deutsch
        arrow-up
        0
        ·
        10 months ago

        Ich teile deine Einschätzung, aber würde auch gerne wissen ob diese Strategie nicht auch “Backfire” erzeugt, in der Hinsicht dass sehr viele Leute gerade wegen dieser Einseitigkeit sich abwenden und gerade deswegen auch die palästinensische Seite unterstützen? Ich bin derzeit schwer enttäuscht von der deutschen Presselandschaft wie einseitig der Konflikt dort dargestellt wird, ich bin deswegen übergegangen die NYT als Informationsquelle für diesen Konflikt zu nehmen da die sich darum bemüht ist eine humanistischere Perspektive zu zeigen.

        Wie nimmt man jedoch diese Beobachtung nicht als Anlass den Glauben an Institutionen zu verlieren? Das ist womit ich persönlich derzeit wirklich struggle.

        • tryptaminev 🇵🇸 🇺🇦 🇪🇺@feddit.de
          link
          fedilink
          Deutsch
          arrow-up
          0
          ·
          10 months ago

          Ich habe meinen Glauben in die Institutionen weitestgehend verloren.

          Im Aufwachen Podcast haben sie mal die ARD, ZDF und US und Britische Berichterstattung miteinander verglichen https://www.youtube.com/watch?v=wgEBkXbHj1M

          Das fasst es aus meiner Sicht sehr gut zusammen, wie absurd das Ganze ist. Also von Framing manuals, in denen Experten mit Warnhinweisen versehen werden, über Ereignisse im Kriegsverlauf, die medial nicht stattfinden in Deutschland, bis hin dazu, dass in der Tagesschau die berichteten Zahlen an getöteten Palästinensern, und v.a. der getöteten Kinder nicht berichtet wurden.

          Also hast du einerseits Leute, die keine anderen Informationsquellen haben, und nicht mehr in der Lage sind, sich eine politische Meinung zu bilden, und dadurch Deutschland nicht mehr sinnvoll international am Diskurs teilnehmen kann. Und andererseits hast du eben die Menschen, die auch weitere Quellen nutzen und sich fragen, was das Schmierentheater soll.

          Im Kontext von den ganzen Korruptionsskandalen, habe ich den Eindruck, dass die ÖR Führungen inzwischen auf sämtlichen Ebenen den Bezug zur Realität verloren haben. Entsprechend richtet sich das Programm auch inhaltlich und weltanschaulich v.a. an die Leute, die sich seit den 80er und 90er Jahren in ihrer Vorstellung der Welt nicht mehr weiterentwickelt haben, und der ÖR droht bedeutungslos zu werden, wenn diese Generation dann in 10-20 Jahren weg ist.

          • letmesleep@feddit.de
            link
            fedilink
            Deutsch
            arrow-up
            0
            ·
            10 months ago

            Es ist vermutlich schon richtig, dass die ÖRs da vorsichtig sind. Zum einen gelten die gleichen Regeln, wie wenn man in Deutschland über die Opfer der Alliierten Bombenangriffe redet. Es ist halt ein Thema, mit dem Rechte Demagogen gern versuchen vergessen zu machen, wer den Krieg begonnen hat.

            Zum anderen gibt es keine verlässlichen Zahlen. Das Gesundheitsministerium in Gaza war wohl vor ein paar Jahren selbst unter der Hamas noch mehr oder weniger verlässlich, aber zumindest seit die den Hoax mit der israelischen Rakete, die ein Krankenhaus getroffen haben soll, verbreitet haben, ist das definitiv vorbei.

            Wir können von außen schlichtweg nicht sagen, ob die Angriffe Israels legitim sind oder nicht. Das wird man - wenn überhaupt - erst nach dem Krieg sagen können.

            • tryptaminev 🇵🇸 🇺🇦 🇪🇺@feddit.de
              link
              fedilink
              Deutsch
              arrow-up
              0
              ·
              edit-2
              10 months ago

              Du meinst also, dass die bei BBC und PBS und selbst bei Fox News, die ja bekanntlich nun wirklich keine Freunde der Palästinenser sind, alle zu doof sind und auf gefälschte Zahlen der Hamas reinfallen?

              Wenn man die Bilder aus Gaza sieht, dann ist auch klar, dass die Zahlen von Getöteten plausibel sind.Der Großteil der Häuser sind zerstört, die Menschen leben unter miesesten Bedingungen in Zeltstädten und es gibt auch mehr als genug Videos in denen Tote geborgen werden. Internationale Ärzte berichten, dass sie häufig den Fall “verwundetes Kind, keine Überlebenden Angehörigen” haben".

              Übrigens hat Israel seine Todeszahlen letzte Woche nach unten korrigiert. Bisher habe ich aber noch nicht vernommen, dass man deswegen Israel nicht mehr trauen dürfe und die Zahle nicht mehr berichten solle.

              • letmesleep@feddit.de
                link
                fedilink
                Deutsch
                arrow-up
                0
                ·
                10 months ago

                BBC

                Die sich geweigert hat die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen. Die würde ich also nicht mehr als neutral ansehen.

                • brainrein@feddit.de
                  link
                  fedilink
                  Deutsch
                  arrow-up
                  0
                  ·
                  10 months ago

                  Hat die BBC sich wirklich explizit geweigert, die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen? Wann war das? Wer hat die BBC kritisiert und gefordert, sie solle die Hamas als Terrororganisation bezeichnen. Wer bei der BBC hat das verweigert? Ging es dabei um einen speziellen Film oder sagt die BBC ganz generell und grundsätzlich nicht Terrororganisation zur Hamas?

                  Was mich aber vor allem interessiert (wenn es diese Weigerung denn wirklich gab), wie begründet die BBC ihre Entscheidung, die Hamas nicht Terrororganisation zu nennen? Ich gehe nämlich definitiv davon aus, dass diese Leute viel mehr vom Nahost-Konflikt verstehen als du oder ich.

                  Mir zum Beispiel wurde erst vor ein paar Tagen mein Bild von Israel völlig auf den Kopf gestellt durch die Erzählung eines israelischen Soldaten über seinen Dienst im Westjordanland. Seitdem halte ich ich Israel ganz unironisch für einen Förderer des Terrorismus. Denn wenn man eine Bevölkerung so terrorisiert wie es nach den Schilderungen dieses Soldaten die Besatzungsmacht im Westjordanland tut, dann wird zwangsläufig ein gewisser Prozentsatz zu Terroristen. Es geht nicht anders. Interessiert? https://youtu.be/7ayiO1Gl6lo?si=U1rvQOhHBxgPJZ4E

                • tryptaminev 🇵🇸 🇺🇦 🇪🇺@feddit.de
                  link
                  fedilink
                  Deutsch
                  arrow-up
                  0
                  ·
                  10 months ago

                  Also weil sie sich einen Begriff nicht zu eigen machen, sind sie nicht neutral? Sind es nicht eher die Medien, die diesen Begriff ungefragt übernommen haben, und sich damit die Regierungsposition zu eigen machen, denen es an Neutralität mangelt?

                  Die BBC berichtet über die Hamas als “Organisation, die von der Regierung als Terrororganisation eingestuft wird.” Das ist das journalistisch korrekte Vorgehen. Die Hörer/Leser nehmen diese Einordnung war, und können selbst entscheiden, ob sie dieser folgen oder nicht.

                  Die Entscheidung, ob eine Organisation eine Terrororganisation sei oder nicht, wird auch nicht anhand objektiver Kriterien, sondern nach der politischen Wetterlage getroffen. Al-Quaida? Terrororganisation! Al-Quaida in Syrien (Al-Nusra)? Freiheitskämpfer! PKK? In Deutschland Terrororganisation, weil man strategische Beziehungen zur Türkei hat. In zahlreichen anderen Ländern und bei der UN nicht. Hisbollah? In Deutschland eine Terrororganisation. In der EU wird zwischen der Miliz als Terrororganisation und dem politischen Flügel als keine Terrororganisation entschieden.

                  Wer sich hier als Journalist politische Begriffe zu eigen macht, verlässt die Neutralität und die BBC handelt hier besser als ARD und ZDF.

                  Schließlich möchte ich noch eine Überlegung zu dem Begriff teilen. Der Begriff Terrororganisation impliziert, dass die Organisation den Zweck habe, Terror zu verüben, das Terror also ein Selbstzweck sei. Damit wird in der Diskussion ausgeblendet, welche politischen Ziele dahinter stehen, womit eine Auseinandersetzung mit den Zielen, und damit der Möglichkeit von Diplomatie zur Beendigung des Terrors genommen. Weiterhin wird dadurch suggeriert, dass Terror nur ein Mittel sei, das die sog. Terrororganisationen anwenden würden. Dabei wenden zahlreiche Akteure, von demokratisch legitimierten Regierungen und den Armeen dieser Länder, über autokratische Regimes, bis hin zu organisierter Kriminalität Terror als Mittel an. Diese Dimension wird mit dem Begriff Terrororganisation und dem eingeforderten “Glaubensbekenntnis” eine bestimmte Organisation als solche zu bewerten oder nicht so zu bewerten, ausgeblendet.

  • Random_German_Name@feddit.de
    link
    fedilink
    Deutsch
    arrow-up
    0
    ·
    edit-2
    10 months ago

    Junge was ist falsch mit Menschen? Was ist so schwer daran Organisation A zu verurteilen und Person B, die in einem anderen Land lebt, zu trennen? Ich habe den Film nicht gesehen, aber anscheinend war der unproblematisch genug, um in die Mediathek zu kommen und erzählt nur die Geschichte eines Palästinensers. Ist das Problem, dass man Menschen nicht mehr so leicht Dämonisieren kann, wenn man sie als Menschen anerkennt oder was? Wäre es aus sich der ARD weiterhin in Ordnung gewesen, wenn die Protagonisten Israelis gewesen wären?

    Was wollen die damit erreichen? Palästiner werden sich jetzt angegriffen fühlen, Rechte freuen sich, weil es jetzt einen Film weniger gibt, der Araber als Menschen zeigt.

  • DarkThoughts@kbin.social
    link
    fedilink
    arrow-up
    0
    ·
    10 months ago

    Damit hilft man doch nur dieser eh schon ständigen Gleichsetzung von Palästinensern mit Hamas. Völlig bescheuert.